„Gespräch“ von Hassan Sheidaei (Archiv)

Video, 06:10 min. , 2018. Darsteller: Hamed Babaei

„Ein Gespräch, wortlos ein Zwiegespräch in gedehnter Zeit.

Im gesamten Video ist nur das Gesicht eines Mannes zu sehen, der unverwandt in die Kamera guckt und im Laufe des Videos anfängt, zu weinen, jedoch ohne jegliches Pathos.“

Die knappe Beschreibung von Hassan Sheidaei über seine Arbeit lässt uns viel Raum, uns auf verschiedenen Wegen auf sie einzulassen. Wir stehen mitten in Weseke einem überdimensionierten Gesicht gegenüber. Es ist ein Mann, der uns ansieht. Er ist still und bewegungslos – nur wenn er ab und zu mit den Augen zwinkert, merken wir, dass wir keinem Foto gegenüber stehen. Und erst gegen Ende des 6-minütigen Videos rinnen dem Mann ganz langsam Tränen aus einem Auge, dann aus beiden Augen.

Ist dies Ausdruck einer stillen Trauer oder eines Dialogs ohne Worte? Eines inneren Dialogs oder einer Frage danach, wie wir diesem „Fremden“ begegnen?

„Dem Aussehen nach kommt er sicherlich nicht von hier“ könnte eine spontane Reaktion beim Betrachten sein. Darin läge schon die Unterscheidung von „Wir“ und „die anderen“. Aber wer oder was ist das, „die Fremden“?

Gestern vor einem Jahr wurden in Deutschland 9 Menschen aus rassistischen Motiven ermordet. Der Täter kannte seine Opfer nicht aber hasste sie, weil er dachte, sie seien „fremd“ – dabei waren sie größtenteils in Deutschland geboren und wahrscheinlich viel weniger „fremd“ hier als der Rassist, der sie ermordete.

Dies ist nur ein Gedanke, den die Arbeit „Gespräch“ von Hassan Sheidaei in mir persönlich ausgelöst hat. Lassen Sie sich auf den stummen Dialog ein, können Sie viele weitere Anlässe für ein „stilles Gespräch“ finden – das zuweilen zu Tränen rührt oder uns auch daran erinnert, wie gut wir es hier in einem meistens freien und sicheren Land haben und dass es sich lohnt, dafür einzutreten, dass die Rechte aller geschützt werden…

Artikel in der Borkener Zeitung

Hassan Sheidaei wurde 1984 in Teheran geboren. Er studierte Grafik an der Elm va Farhang Universität in Teheran und Freie Kunst an der HfK in Bremen und war Meisterschüler bei Prof. Markus Löffler, Prof. Andree Korpys und Prof. Ingo Vetter. 2016 gewann er mit Farzia Fallah für das gemeinsame Projekt Das Vergessen den 2. Videokunst Förderpreis des Filmbüro Bremen.

www.hassansheidaei.com